Schweizer:innen produzieren 703 kg Siedlungsabfälle pro Einwohner:in und Jahr

7      16.09.2021

Das Abfallaufkommen in der Schweiz ist im Vergleich mit anderen Längern vergleichsweise hoch.

Definition Siedlungsabfall

Siedlungsabfall (SA) besteht zu einem grossen Teil aus Abfall, der von Haushalten erzeugt wird. Ebenfalls umfasst er Abfälle, die von kleineren Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen mit weniger als 250 Vollzeitstellen erzeugt werden, deren Zusammensetzung betreffend Inhaltsstoffen und Mengenverhältnisse mit Abfällen aus Haushalten vergleichbar ist, bspw. solche aus Büro und Gewerbe. Das Bundesamt für Umwelt (BAFU) erhebt jährlich die anfallenden Abfallmengen in der Schweiz: Im Jahr 2019 wurden in der Schweiz 2'857’000 t (330 kg/EW) SA verbrannt und 3‘221‘000 t (373 kg/EW) rezykliert. Dies ergibt eine totale Menge von 703 kg pro Einwohner*in und Jahr, oder 1.9 kg Abfall pro Einwohner*in und Tag.

Kehrichtzusammensetzung

Um das Aufkommen der SA besser zu verstehen, ist es wichtig zu erkennen, wo die SA anfallen. Das Verhältnis zwischen Haushalten und Betrieben/Büros beträgt 2:1 – sprich 460 kg fallen zuhause an, während es bei der Arbeit 270 kg sind.

Weiter kann untersucht werden, wie die Abfälle anfallen. Die Menge separat gesammelter SA wird in der Schweiz durch die verschiedenen Recycling-Systeme erhoben. Die in den Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) verbrannten 2'857'000 t werden gemäss BAFU folgendermassen berechnet: Alle kommunal gesammelten SA plus 60 % der Direktanlieferungen in die KVAs. Die anderen 40 % der Direktanlieferungen enthalten somit Abfälle aus industrieller Produktion oder Bauabfällen.

Den Inhalt der Abfallsäcke untersucht das BAFU alle zehn Jahre in einer minutiös durchgeführten Studie. Durch den Einblick in die Zusammensetzung des Kehrichts erhält man wertvolle Hinweise auf die erschliessbaren Recycling-Potenziale. Die Ergebnisse aus der Studie von 2012 sind in Abbildung 1 ersichtlich.

Abbildung 1: Kehrichtzusammensetzung in der Schweiz. Quelle: BAFU (2012)

In der Schweiz werden gegenwärtig 53 % der SA aus Haushalten und Gewerbe dem Recycling zugeführt und somit stofflich verwertet. Dazu zählt auch die Kompostierung und Vergärung von biogenen Abfällen, welche 1‘405‘000 t oder 23 % der SA ausmachen. Die restlichen 47 % werden in den KVA thermisch verwertet. Die anfallende Wärme wird zu Heizzwecken oder Stromerzeugung genutzt und liefert rund 2 % der Gesamtenergie der Schweiz. Die Deponierung von (brennbaren) Abfällen ist in der Schweiz seit dem Jahr 2000 verboten.

 

Vergleichbarkeit mit dem Ausland

Um sich die Zahl von 703 kg vorzustellen, werden oft Vergleichswerte aus dem Ausland herbeigezogen. Die EU führt eine detaillierte Statistik über das Abfallaufkommen und die Verwertungswege ihrer Mitgliedsländer. Bei den Vergleichen ist jedoch Vorsicht geboten: Jedes Land rechnet mit unterschiedlichen Arten und Anzahl Fraktionen, unterschiedliche Messpunkte (Input oder Output; Sammlung, Sortierung oder Aufbereitung) und mit abweichender Genauigkeit (Sicherstellung der lückenlosen Erfassung; Interesse der Systeme; illegale Abfallentsorgung). Es ist also sehr wichtig, dass bei Gegenüberstellungen die Methodik genau betrachtet und nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden.

Zwei Messgrössen sind bei den Vergleichen zentral: Einerseits die Höhe des Siedlungsabfalls und andererseits die Art der Verwertung.

Die Menge des SA korreliert mit der Entwicklung des BIP eines Landes. Das bedeutet, dass steigender Wohlstand in der Regel zu mehr Abfallaufkommen führt und eine grundlegende Erklärung dafür ist, warum in der Schweiz viel SA anfällt. Das Verhältnis SA zu BIP wird Abfallintensität genannt. Je tiefer der Wert, desto eher sind der Wohlstand und das Abfallaufkommen eines Landes entkoppelt. Eine Auswahl der Nachbarländer der Schweiz ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt.

Tabelle 1: Übersicht der Abfallintensität einiger europäischer Länder. Quelle:  EUSTAT (SA, 2014) und Indexmundi (BIP 2014)

LandBIP Euro pro KopfSiendlungsabfall pro Kopf und Jahr in kgAbfallintensität (in +, kg je BIP)

Schweiz

49'3207301.48 (100%)
Schweden36'8104381.19 (81%)
Belgien34'0204351.28 (86%)
Niederlande38'9705271.35 (91%)
Österreich38'3405651.47 (99%)
Frankreich32'1305111.59 (107%)
Deutschalnd35'5506181.74 (118%)
Italien26'6404881.83 (124%)
Dänemark34'0207592.23 (151%)

Dieser Vergleich ermöglicht einen ersten groben Hinweis darauf, welche Länder in Bezug auf ihren Wohlstand viel oder wenig SA generieren. Der nächste Anhaltspunkt ist der Umgang mit den Abfällen, also die Art der Verwertung. Hierzu sind EU-weit vergleichbare Zahlen vorhanden (vgl. Tabelle 2):

Tabelle 2: Übersicht der Verwertungswege. Quelle: EUSTAT (2014)

LandRecyclingKompostierung/
Vergärung
VerbrennungDeoponierung
Schweiz33%21%46%0%
EU-Durchschnitt28%16%27%28%
Deutschland28%17%47%1%

Es lohnt sich, hier tiefer in die Details zublicken: Nach Ansicht von Swiss Recycling ist nicht per se entscheidend, wie viel gesammelt wird, sondern viel mehr, was nach dem Recyclingprozess wieder in den Stoffstrom gelangt. Der Ausschuss der stofflichen Sammlung –was also in Deutschland beispielsweise in der gelben Tonne gesammelt und danach trotzdem verbrannt wird, darf einer Quote nicht zugerechnet werden. Während in der Schweiz das separat gesammelte Material grösstenteils wieder der produzierenden Industrie zugeführt werden kann, weicht bspw. in Deutschland diese Verwertungs-Quote stark von der Recycling-Quote ab. Es ist folglich wichtig, gleiche Qualitäten miteinander zu vergleichen.

 

Unterschiede, Faktoren, Gründe

Während die Abfallintensität der beste Grund ist, um die unterschiedlichen Mengen SA pro Land zu erklären, gibt es noch einige weitere Faktoren, die den SA beeinflussen. Diese Einflussfaktoren sind in der Abbildung 2 dargestellt. Es ist an dieser Stelle angemerkt, dass die Faktoren lediglich Anhaltspunkte sind, welche sich für vertiefte Untersuchungen anbieten und keinesfalls der Weisheit letzter Schluss sind.

Abbildung 2: Einflussfaktoren auf das Abfallaufkommen in der Schweiz. Quelle: Swiss Recycling (2016)

Einige Stichworte der Abbildung 2 werden im Folgenden erklärt:

MA-Freerider: Während viele Schweizer zuhause feinsäuberlich trennen, wird diese Gewohnheit im Büro oftmals abgelegt – sei es, weil die Infrastruktur am Arbeitsplatz fehlt oder durch die Mitarbeiter eine andere Norm – die des Nicht-Trennens – gelebt wird.

Binnenmigration: In der Schweiz ziehen die Menschen – vor allem in den Städten – sehr häufig um, ebenso sind die Städte für Immigranten lediglich ein Einfallstor zur Schweiz. Bei jedem Umzug fallen grosse Mengen Abfall an – vor allem Sperrgut.

Haushaltsgrössen: In der Schweiz leben die Menschen in vergleichsweise kleinen Haushalten, in welchen proportional mehr SA anfällt.

Verursacherorientierung: Nachweislich haben Gemeinden, welche die Abfallsäcke nicht gratis anbieten, geringere Abfallmengen. Diese verursacherorientierte Abfallentsorgung ist noch nicht in der ganzen Schweiz gebräuchlich.Unterschiede zur EU: Bei den Berechnungsmethoden zur Mengenerfassung gibt es einige Unterschiede zwischen der Schweiz und der EU. Diese betreffen hauptsächlich die Erfassung von Klärschlamm, Strassenwischgut und Grüngut als SA. Ebenso geht es auch um das Vorhandensein von vorgezogenen Gebühren und den dazugehörigen Systemen, welche zu einem genaueren Erfassungsgrad führen und unbemerkte Mengenabflüsse ins Ausland tendenziell verhindern.

 

Umgang mit Abfall

Die Schweiz hat sich grundsätzlich einer Zwei-Säulen-Politik verschrieben, bestehend aus stofflicher und thermischer Verwertung. Dies ist der Weg, der auch von der EU beschritten wird, auch wenn erst fünf der 28 Länder faktisch nicht mehr deponieren und 14 der übrigen 23 Länder einen Deponie-Anteil von über 50 % aufweisen.

Gegenwärtig wird in der Schweiz der Weg des volkswirtschaftlichen Optimums begangen. Dies bedeutet, dass keine Maximierung der Recycling-Quoten angestrebt wird, weil nach dem Optimum die Kosten zum Recycling-Maximum hin überproportional ansteigen und in einer volkswirtschaftlichen Betrachtung die (begrenzten) Mittel an einer anderen Stelle effektiver eingesetzt werden können. Zudem werden in der Schweiz Lösungen gesucht, welche alle Beteiligten – Recycling- wie KVA-Betreiber – und Mengenströme einbeziehen und politisch nicht gefärbt sind (z. B. kein ökologischer Zwang, der nicht finanzierbar ist).

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